Tomasz Brzostowicz
Tomasz Brzostowicz wurde im Jahre 1911 in Polen in einem kleinen Dorf nordöstlich Posen geboren.
Mit 28 Jahren wurde er zum Wehrdienst einberufen. Zwei Monate später, am 01.01.1939, überfiel Hitler Polen. Der Krieg begann. Tomasz wurde an der Grenze zu Deutschland eingesetzt. 19 Tage nach Beginn des Krieges wurde er gefangen genommen. Er wurde zum Stammlager Fallingbostel transportiert und kam danach nach Trills. Die polnischen Kriegsgefangenen sollten als Arbeitskräfte in der Industrie oder in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Das war nicht unumstritten. Die Polen galten als „Untermenschen“.
In Trills stand das Haus Püttbach, eine altbekannte Gaststätte. Dort waren die Kriegsgefangenen untergebracht. Für die Ausstattung musste der Bauer sorgen, der den Gefangenen anforderte. Jeder bekam einen Sack Stroh, zwei Decken, einen Löffel, einen Trinkbecher, ein Handtuch.
Die Bäuerin Charlotte Spiecker vom Hof Hausmanns forderte Tomasz an für die Arbeit auf dem Feld, im Stall, auf dem Baumhof. Sie forderte auch ein Mädchen an, die Arbeitsdienstmaid Maria aus Oberhausen. Sie war 20 Jahre alt. Von der Unterkunft in der Villa Boeddinghaus musste sie jeden Tag den langen Weg bis zum Hof Hausmanns zu Fuß laufen.
Tomasz und Maria begegneten sich gelegentlich. Zwischen den beiden entwickelte sich eine kurzzeitige Liebesgeschichte: Am 10.06.1940 bearbeitete Tomasz mit den Pferden und einer Walze das Feld nordwestlich des Millrather Wäldchens. Maria brachte ihm das Frühstück. Was sich dann zutrug, wissen nur die beiden. Maria erzählte am Abend im Arbeitsdienstlager ihrer Freundin „unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit“, es sei „ein Unglück“ passiert. Sie sprach von einem „Vorfall“. Blitzschnell machte Geschichte im Lager die Runde. Die Lagerleiterin machte bei der Staatspolizeileitstelle Düsseldorf Meldung und die Inquisition wurde in Gang gebracht.
Am 03.07.1940 wurde Maria festgenommen und am 02.08.1940 in Schutzhaft überführt. Die tagelangen Verhöre begannen. Den Vernehmungsakten ist zu entnehmen, dass sich die Verhöre, wie die „peinliche Befragung“ der „Hexen“ im Mittelalter aussahen. Denn die intimen Einzelheiten, die Maria schilderte, hätte ein junges Mädchen zu dieser Zeit niemals ausgesprochen. Ich vermute, dass die Polizeibeamten die Begebenheiten „herausfragten“. Sie schilderte den „Geschlechtsverkehr“.
Maria erhielt daraufhin zwei Jahre Zuchthaus. Die Begründung lautete: „Denn der Geschlechtsverkehr einer deutschen Frau bzw. eines deutschen Mädels mit einem Kriegsgefangenen widerspricht in einer kaum zu überbietenden Weise dem gesunden Volksempfinden.“
Tomasz wurde am 04.07.1940 verhaftet. Er bestritt den Geschlechtsverkehr. Und blieb dabei bei allen weiteren Vernehmungen. Er kannte das Merkblatt für polnische Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen und Gefangene: „Wer mit einer deutschen Frau oder einem deutschen Mann geschlechtlich verkehrt, oder sich ihnen sonst unsittlich nähert, wird mit dem Tode bestraft.“
Tomasz wird aus Kriegsgefangenschaft entlassen, charakterlich beurteilt, rassenbiologisch untersucht und nach Düsseldorf geschafft.
Am 18.01.1941 schickt der Reichführer SS, Heinrich Himmler ein Telegramm an die Gestapo Düsseldorf: „Der Reichsführer SS UND CHEF DER DEUTSCHEN POLIZEI HAT ENTSCHIEDEN, DASS DER POLE BRZOSTOWICZ, 12.12.11 in Grünhof geboren, in der Nähe des Tatorts zu hängen ist...“
Am Morgen des 28.06.1941 werden alle Kriegsgefangenen aus Hochdahl, Erkrath, Hilden, Gruiten und Haan - es waren 145 - in das Wäldchen am Hausmannsweg getrieben. Sie wurde gezwungen, zuzusehen.
Tomasz Brzostowicz, 29 Jahre alt und unschuldig, wird im Millrather Wäldchen erhängt.
Die Gestapo teilte Ludwig Brostowicz, dem Vater, mit, dass sein Sohn hingerichtet wurde.
Er wurde eingeäschert und die Urne sollte in die Heimat von Tomasz geschickt werden. Aber in einem Schreiben vom 27.08.1941 heißt es: „Urne und Asche wurden beseitigt.“
Nicht einmal die letzte Ehre gewährten die Nationalsozialisten Tomasz.